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Textilien und Papier, Metall und Holz – unterschiedliche Materialien in überraschender Weise gestalterisch zu kombinieren, gehört, neben seiner intensiven Auseinandersetzung mit der Malerei, zu den wichtigsten Aspekten der stark textil-konzeptuell geprägten Praxis des Künstlers. Stephan Ehrenhofer legt sein Augenmerk besonders auf das Konkrete und das Systematische in der Kunst. Ganz in der Tradition der Gegenstandslosen Kunst stehend bewegen sich seine Arbeiten vom plastischen Objekt bis hin zur Installation.

Stephan Ehrenhofer has been working in many different types of media, making use of textiles and paper as well as metal and wood. Beyond a continuously strong practice in painting he is putting his main focus on the concrete and systematic in art. Staying well within the traditions of non-objective art his works are ranging from plastic objects to installations.

Stephan Ehrenhofer was born in Zürich in 1964 and is currently based in Berlin. From 1985 to 1989 he studied Fine Arts at the University of Applied Arts in Vienna, during the final years of the tapestry and weaving masterclass. These formative studies continue to influence the way the artist approaches painting, weaving, and installation works. Ehrenhofer pays particular attention to the concrete and the systematic in art, synthesizing his impressions into dense networks of colour and texture. Working in the tradition of non-objective the artist incorporates a range of materials including synthetic and natural fibres, ribbons, industrial metals and found objects.

In 2017 Ehrenhofer was a resident at the Josef and Anni Albers Foundation in Connecticut, USA. He shares with Anni Albers a dedication to the exploration of new material possibilities in weaving, and a desire to explore traditional textile practices in other parts of the world. For Haus Werk, Ehrenhofer exhibits works from his Looking for Elephants/Finding Elephants series. These embroideries become the artist’s personal travelogue, transposing the colour and light of India and Sri Lanka into a series of sculptural embroideries. This process of cultural and aesthetic transmission mirrors the way Bauhaus ideas percolated internationally through travel and emigration. Made with synthetic and coconut fibres, polypropylene, aluminium screens, and copper, these works demonstrate the centrality of materiality to Ehrenhofer’s practice. He unites the manual and industrial through the use of contemporary technological materials.

The two-dimensional Slow Turning displays a distinctive colour pattern that resembles the striped canvas marquee, which in Europe is immediately synonymous with summer leisure time. Here Ehrenhofer observes how the marquee pattern echoes the structure of textile patterns, and in a playful approach to the structural possibilities of a simple pattern, the artist demonstrates similar tendencies to Anni Albers in her later approaches to print making.


Jane O'Neill, Curator. Melbourne, 2019

Stephan Ehrenhofer [*1964] verbindet seine aus der Textilkunst weiter entwickelte Prägung des planmäßigen Verwebens, dreidimensionalen Verzahnens oder schichtweise Verknüpfens unterschiedlicher Werkstoffe und Medien immer mit seiner sehr ausgeprägt individuellen Farbpalette zu stark in den umgebenden Raum ausstrahlenden Objekten. Dabei hat er in seiner spuürbaren Lust am Experimentieren mit Material und Form seit vielen Jahren höchst unterschiedliche Werkreihen und Objektgruppen geschaffen, deren vielfältige Ausdrucksformen jedoch stets einer gleichen Grundhaltung folgen: Dass im künstlerisch und konstruktiv genau durchdachten Verbinden von bislang so nicht zusammen gefuügten Stoffen neue Wahrnehmungs- und Denkebenen eröffnet werden. Diese Grundhaltung ist dabei der eigentliche Rote Faden in den Arbeiten von Ehrenhofer. Insofern sind alle seine Arbeiten stets Produkte materialisierter geistiger Freiheit, die keine Vorbilder aus der Dingwelt abbilden sondern Neuschöpfungen aus seiner lebenslangen Beobachtung, Analyse und daraus abgeleiteten Synthetisierung des in der Welt Erkannten sind.

Stephan Ehrenhofer’s [b. 1964] textile-based work begins with the weaving, meshing, or layering of various materials and media; through further development and manipulation and the use of his distinctive color palette, the pieces become objects that radiate boldly into the surrounding space. For years, his palpable pleasure in experimentation with material and form has led to the creation of widely varying series and groups of objects, whose diverse appearances are nonetheless underwritten by the same basic attitude: that the artistically and constructively well-considered combination of materials that have previously not been joined can open up new levels of perception and thought. This approach is the real leitmotif of Ehrenhofer’s work. In this regard, all his works are simply the embodiment of intellectual freedom; they are never representations of models from the world of things, but rather new creations that derive from lifelong observation and analysis — a synthesis of what he has become aware of in the world.

Matthias Seidel

Der Schlüssel zum Verständnis des inneren Zusammenhangs aller künstlerischen Werke von Stephan Ehrenhofer liegt in seiner Arbeit in der Meisterklasse für Tapisserie im Rahmen seines Kunststudiums an der Hochschule für angewandte Künste Wien. Die Auseinandersetzung mit den tradierten Techniken, handwerklichen Charakteristika und bilderzeugenden Methoden der Bildwirkerei mit dem Ziel, diese in Ausdrucksformen zeitgenössischer Kunst zu überführen, bestimmt auf all den vielfältigen Arbeitsfeldern und in den unterschiedlichsten Werkgruppen seines mittlerweile im dritten Jahrzehnt andauernden künstlerischen Schaffens das Grundrepertoire seines produktiven Suchens. Es geht ihm darum, nach vorab entwickeltem Konzept und daraus entworfenem Plan dem Wesentlichen seiner Auseinandersetzung Form zu geben: Mit unterschiedlichsten Werkstoffen, durch materialschlüssige Verbindungen und daraus abgeleiteten konstruktiven Verknüpfungen Arbeiten und Werkgruppen, zu erschaffen, an deren jeweiligen Erscheinungsformen sich seine weiteren Themen, wie das Zusammenspiel von Farbe und Farbraum, von Strukturen und Ordnungen sowie deren Brüche und Widersprüche, erkennen lassen. Dies schließt unmittelbar ein, dass seine Arbeiten stets vollkommen aus sich selbst und ihrer inneren, konzeptuell entwickelten Logik heraus entstehen und daher frei sind von jedweder Gegenständlichkeit, von Symbolismen oder Expression. 

The key to understanding the inner relationships in all of Stephan Ehrenhofer’s artistic activities is to be found in his work in the master class for tapestry in the context of his art studies at the Academy for Applied Arts in Vienna. The engagement with the time-honoured techniques, handicraft characteristics and image-forming methods of tapestry-making, with the aim of carrying this form of expression over into contemporary art, determines – in all the multifaceted fields of his activity and the most diverse groups of work in nearly three decades of continuous artistic production – the basic repertoire of his creative searching. For him it is a question, according to a predetermined concept and its resulting plan, of giving form to the essence of his engagement: to create, using the most varied of materials, with their inherent connections and the combinations derived from them, works and groups of work, in whose respective manifestations his other themes, such as the interaction of colour and colour space, structures and systems, as well as their ruptures and contradictions, may be identified. This immediately implies that his works always evolve entirely out of themselves and their inner, conceptually developed logic, and hence are free of any trace of representation, of symbolism or expression.

Matthias Seidel, dr. julius | ap

Belle de Jour – unweigerlich ist man an den herausragenden Regisseur Luis Buñuel und seinen gleichnamigen Film mit Catherine Deneuve erinnert. Den Inhalt des Films erinnern viele, sehr verkürzt, als die Möglichkeit käuflicher Schönheit, während die viel weiter reichenden Interpretationsebenen des Werkes zumeist hintan stehen. Dabei geht es Buñuel doch ebenso sehr um einen Ausbruch aus der Enge gesellschaftlich tradierter Rollenmuster und den Eintritt in eine Gegen-Welt, gleichzeitig um die Schwelle von bewusstem Wachzustand und unbewusstem Tagtraum, die dabei verwischt wird. Stephan Ehrenhofer hingegen verleitet sein Publikum mit dieser Bezugnahme nur zu solchen Gedanken, denn seine Reihe von quadratischen Arbeiten, die aus jeweils sechs lose übereinander hängenden Weich-PVC Blättern bestehen, welche in den oberen Ecken von Ösen zusammengehalten werden und wie Kalender aufgehängt sind, bezieht sich auf eine andere Schönheit des Tages: Belle de Jour heißt nämlich auf Französisch auch die Dreifarbige Winde [Convolvulus tricolor], eine eintägig blühende mediterrane Blume. Das von der Genetik abgeleitete Prinzip, aus einer grundlegenden Regel eine Vielzahl unterschiedlichster Kombinationen zu entwickeln, auf diese Reihe übertragen zeigt, dass es insofern ihre gelb-weiß-blauen Blütenblätter sind, die den eigentlichen Bezug zu den gewählten Farben der Arbeiten herstellen. So liegt im Ausstellungstitel auch ein Moment der Ironisierung, das eine plakative Begrifflichkeit umspielt. 

Das Textile – spätestens durch die hervorgehobene Stellung in der Grundlehre des Bauhauses integraler Bestandteil der Kunst in der Moderne – mit seinen zu Grunde liegenden spezifischen Parametern steht als verbindende Grundhaltung hinter all den vielfältigen Werkgruppen und Arbeitssträngen im Werk des Künstlers: Es wird eine Idee skizziert, als Entwurf weiter bearbeitet und ein Plan für die Ausführung entwickelt; in diesen spielen die zu verwendende Technik, die Wahl des Materials, die Bestimmung seiner einzusetzenden Menge, unter Berücksichtigung seiner charakteristischen Eigenschaften, sowie der für die Fertigung anzusetzenden Zeit grundlegend mit hinein. Dies ist insofern das Gegenteil spontanen Arbeitens, eines expressiven, den inneren momentanen Zuständen Ausdruck verleihenden Kunstverständnisses, was als Klischee viel zu oft der zeitgenössischen Kunst als wesentlich angedichtet wird. Stattdessen ist in der Bildwirkerei, wie die Tapisserie auf Deutsch genannt wird, ein Vorgehen unabdingbar, wie es etwa auch in der Architektur zu leisten ist: Um ein überzeugendes Ergebnis zu erreichen, braucht es einen durchgearbeiteten Plan, der Materialeigenschaften, technische Zusammenhänge sowie konstruktive Bedingungen einschließt und die Anforderungen dieser so erfüllt, dass alle Elemente der Arbeit sich gegenseitig entsprechen; eben alles insgesamt durchwirkt ist. Kurz gesagt: Es bedarf eines umfassenden, ausgearbeiteten Konzepts. 

Anhand dieser Ausstellung wird deutlich, wie es Stephan Ehrenhofer gelingt, persönliche Prägung in künstlerische Arbeiten zu transformieren. Es zeigt sich ein sehr individuelles Werk, das seine Inspiration aus Alltagserfahrung und Weltbeobachtung bezieht und diese mithilfe sämtlicher sinnvoller Werkzeuge – von Skizzenbuch bis CAD Programm – in ein breites Spektrum verschiedenster Kunstwerke übertragen wird. Und dies immer, ohne dabei ein bloßes Abbild der Dingwelt, sondern stets eine aus der eigenen künstlerischen Vorstellungskraft heraus entwickelte Neuschöpfung zu erzeugen. Seine Kunst ist dem Konkreten verbunden ohne im strengen Sinn Konkrete Kunst zu sein; ebenso ist sie konzeptuell ohne Konzeptkunst zu werden. Sie basiert auf dem Textilen, ohne dabei Textilkunst zu bleiben. Sie ist malerisch geprägt, ohne tradierte Malerei abzuliefern, bildnerisch ohne abzubilden, gegenstandslos im Inhalt doch sehr gegenständlich in der Form. Und schließlich ist sie ausdrucksstark, verarbeitet und setzt Anregungen aus dem eigenen Erleben um, ohne innere Zustände zu thematisieren und dadurch expressiv, gestisch, emotional oder biografisch zu sein. Stattdessen stellt er sich und seine Werke bewusst in Traditionslinien des freiheitlichen Denkens und künstlerischen Handelns, und bleibt dabei in großem Gegensatz zu jenen Positionen, die oft banale, plakativ-politische Botschaften verbreiten, um Aktualität und Aufmerksamkeit zu erreichen. Die Freiheit seiner Sujets, Techniken, Werkzeuge und Inhalte, in Verbindung mit einer äußerst weiten Bandbreite von künstlerischen Fertigkeiten steht für seinen radikal zeitgenössischen Ansatz, welcher der Innovation und Fortschreibung des Konkreten im 21. Jahrhundert verpflichtet ist. 

Matthias Seidel

dr. julius | ap vermittelt zwischen Architektur und Kunst. Programmatisch diesem Profil entsprechend, geht Stephan Ehrenhofer Fragen räumlicher Ordnung mit den Mitteln künstlerischer Formsuche nach. Angeregt von <Urban Clusters>, wie in Amerika offene Siedlungen von bis zu 50.000 Einwohnern im Fachbegriff bezeichnet werden, sowie den ungeordneten Strukturen der Randzonen expandierender Megacities, untersucht er die innere Logik städtebaulicher Wachstumsprozesse: Was bleibt vom einzelnen Kubus als allgemeinster Form von Behausung übrig, wenn einzig die Vertikale praktischen Bestand hat?

Mit seiner großen Bandbreite von darstellenden Techniken, die von Freihandzeichnungen über Papier-Montagen zu 3D-Renderings reicht, zeigt er seine aktuellen Antworten auf diese Frage. Eine speziell für die Räume von dr. julius | ap gebaute Installation rundet dabei die Bezugnahme auf unsere veränderten Lebenswirklichkeiten ab.

Stephan Ehrenhofer schreibt dazu: „Dadurch, dass zunehmend im Internet gelebt wird, Recherche und Bestellung Hand in Hand gehen sowie der Austausch von Dienstleistungen und vor allem von Waren gerade einen enormen Boom erlebt, wird die Verpackung selbst zum Leistungsträger der Logistik, zum eigentlichen Global Player. Ohne Pappkarton kein Handel – Carton Ondulé, Wellpappe, Corrugated Paper, die Internationalisierung einer Idee.

Daraus lässt sich etwas machen. Wie in den Favelas und Slums der Megacities, wo aus nützlichem Abfall ganze Behausungen gebaut werden. Die zweigeteilte Welt sieht Landflucht im Großen und urbane Sperrzonen im Kleinen. Nicht von Architekten mit fließenden Linien aus dem Computer gezaubert, sondern in wilder Existenzialität zusammengewürfelt.“

Matthias Seidel


Die Ausgangsfrage lautet: Wie lassen sich mit einfachen Mitteln diffizile Strukturen wiedergeben? Wieweit lässt sich Komplexes reduzieren, ohne dass dabei sein Gehalt verloren ginge? – indem man es übersetzt.

In seinen L.A. Series übersetzt Stephan Ehrenhofer die Struktur einer Stadt in ein Papierstreifenmuster. Er macht so die Vielschichtigkeit des Phänomens Stadt sichtbar. Das interessiert aber nur sekundär. Eigentlich geht es bei Ehrenhofers Arbeiten nämlich um die Erkundung von (mathematischen) Gesetzmäßigkeiten und um die Ästhetik, die sich aus diesen ergeben kann. Es geht um: Was passiert, wenn man eine Regelmäßigkeit – beispielsweise einen immergleichen Pinselstrich – unendliche Male diszipliniert wiederholt? Was, wenn man einen einfachen Streifen immer und immer wieder mit sich selbst multipliziert?

Die L.A. Streifenbilder zeigen: es entsteht Struktur, Tiefe, Räumlichkeit. Aus dem simplen mathematischen Prinzip 1 x waagerecht, 1 x senkrecht erwächst ein Ästhetisches. Die Repetition bringt Dynamik ins Bild. Aus der unendlichen Verdichtung des immergleichen Prinzips kann, so führen es die Streifenbilder vor, ein harmonisches Durcheinander entstehen.

Ehrenhofers Arbeiten sind also doppelpolig und sie stehen nicht still: Sie wandern vom Einfachen zum Komplexen um dieses dann wieder in seine Elementarteile zu zerlegen. Zeugnis sind sie von kontinuierlicher, intellektueller Bewegung. Sie arbeiten sich ab an dem Versuch, einen Gedanken maximal zu erfassen. Nicht aber um seiner Herr zu werden, sondern um das Prinzip, den bearbeiteten Gedanken, ganz und gar für sich selbst sprechen zu lassen. 1 x waagerecht, 1 x senkrecht. Dem Einfachen wird mit Respekt begegnet. Und mit Neugierde. Dafür nämlich, welche Möglichkeiten es noch in sich birgt.

Diesem nicht minder ethischen denn ästhetischem Anspruch folgend, erscheint es nahezu zwingend, dass Stephan Ehrenhofer die 2dimensionalen L.A.-Streifenbilder zu einem 3dimensionalen L.A.-Holzgittergerüst weiterentwickelt hat. Das waagerecht, senkrecht Muster ersetzt er bei seinem für den 5. Berliner Kunstsalon konzipierten Objekt durch eine Horizontal-, Vertikalstruktur. Die Vierfach-Farbgebung der Holzscheide verstärkt die räumliche Wirkung des Objekts und trägt dazu bei, dass es so anmutig, so schwebend ist.

Wie bei den Vorgängerarbeiten ist alles ganz logisch: vertikal = grün, horizontal = rot. Und trotzdem: man blickt da nur mit Mühe durch! Zu unmöglich erscheint die Architektur. Warum hält die Holzlatte da ganz oben links, wo sie doch nahezu in der Luft schwebt? Inwieweit hängen die luftigen und die verdichteten Stellen eigentlich zusammen?

Neben diesen technischen Raffinessen regt LA_3d aber auch auf theoretischer Ebene zum Nachdenken an. Über Raum. Ehrenhofers Holzverstrebungen nehmen wie jedes Objekt Raum ein, und machen ihn qua dessen „sichtbar“. Die ins Freie stakenden Holzstangen tun aber mehr: sie laufen aus ins Unbestimmte, weisen über das Objekt hinaus und thematisieren damit den Ort, den Raum jenseits ihrer selbst. Sie verweisen auf den un-bestellten, auf den leerstehenden Raum. Und fragen ganz nebenbei: Wie groß ist der eigentlich? Wieweit könnte eine Holzstange wohl ins Leere stoßen? Übersetzt in einen praktischen, stadtplanerischen Kontext müsste es wohl heißen: wie viel Verdichtung hält ein Raum aus? Und müssen Türme wirklich 600m hoch sein? – der Library Tower, L.A.’s höchstes Gebäude, ist übrigens nur 310m hoch.

Konstanze Seifert

„Im Gegensatz zur Gegenständlichen Malerei und Abstrakten Malerei bildet die Konkrete Malerei nichts ab, weder die sichtbare noch unsichtbare Natur. Die Gestaltungselemente Raum, Wand, Bildfläche, Farbfläche, Linie und Punkt bedeuten nur sich selbst und verweisen auf sich selbst.“ Theo van Doesburg

Stephan Ehrenhofer, in Zürich geboren und aufgewachsen, hat in Wien an der Angewandten Malerei und Graphik in der Meisterklasse für Tapisserie studiert. Er sieht sich selbst in der Tradition der konkreten Malerei, deren Grenzen er jedoch so ausweitet, dass man schon von einer Gegenposition innerhalb seines eigenen Schaffens sprechen kann.

Interim II entwickelt 2006 in Berlin die in Zürich entstandene Malerei im Raum Interim I von 1994 fort. Was dort strenge geometrische Konstruktion war (wie etwa in der Serie K 27), ist nun Experiment mit Farbe. Die grundsätzliche Fragestellung bleibt jedoch die gleiche und bezieht sich wiederum auf das formale Element der Schichtungen. Es gilt auch hier, den Moment zu finden, bevor alles überdeckt ist und verschwindet.

Die Verdichtungen und Überlagerungen entstehen erst ganz allmählich durch die Pinselstrukturen trockener Farbe in waagerechter und senkrechter Führung. Neu an Interim II (das über 600 Arbeiten auf Papier beinhaltet) sind großformatige Leinwände. An dem Zyklus lässt sich eine formale Entwicklung und der prozesshafte Charakter des Verfahrens ablesen. Die Bewegung geht von Aussen nach Innen. Das „Licht” im Zentrum ist nichts anderes als die Durchlässigkeit und Offenheit der zur Mitte hin dünner werdenden Farbschichten.

Die Poesie der Farbe kann sich dort offenbaren, wo sie nicht Gestaltungselement ist und keine Gesten meint, sondern losgelöst von Formen nur ihren eigenen Gesetzen folgt.

Uliane Borchert / Petra Coronato

Bunte Streifen aus Papier in den unterschiedlichsten Farbschattierungen. Bahnen, die sich kreuzen, sich überdecken, verschwinden, zum Vorschein kommen, mal verstecken, um gleich darauf selbst versteckt zu werden, an der Oberfläche entlang laufen oder sich unterirdisch erahnen lassen. Ein Spiel von Farben im Schachbrettformat. Schön und faszinierend. Bilder, die anspielen auf den Blick über Los Angeles. Das Schachbrettformat als Charakteristikum. Straßen, unendlich viele, schön gerade, senkrecht oder waagerecht, sich kreuzend in Farben, die flimmern ­ je nach Lichteinfall: warm am Nachmittag, grell in der Mittagssonne, gedämpft in der Dämmerung. Die Farben einer Stadt. Der Eindruck vielversprechend, Illusionen erweckend, die Traumfabrik Hollywood treibt Erwartungen in unendliche Höhen.

Perspektivwechsel: L.A. ganz nah. Eintauchen in die Stadt. Immer auf der Spur des schönen Scheins. Riesige Leuchtreklamen funkeln und blinken, kündigen Großes an. Gespannte Erwartung. Endlich am Ziel holt die Wirklichkeit die Vorstellung ein. Das große Billboard direkt vor Augen und die ernüchternde Erkenntnis: Das war alles. Mehr kommt nicht. Die Illusion schwindet. Die Wirklichkeit ist karg. Was für ein Gegensatz. Glamour, Highlights, Faszination. Alles nur Bilder, nur Worte im Kopf. Die Welt ist künstlich, die Vorstellung ist echt. Einzig und allein die Farben leben ­ auch noch in der Erinnerung. Und deshalb genau jetzt einen Schritt näher heran an die Bilder. Der Versuch einer tieferen Betrachtung, eines genaueren Hinsehens. Der Blick erkennt Strukturen, doch die Fassade durchdringt er nicht. Der Blick wird unscharf. Die Oberfläche verschwimmt und wird lebendig. Geometrische Formen tauchen auf und verschwinden. Schwerpunkte verschieben sich. Farbkorrespondenzen zeigen Wege auf und verlieren sich wieder. Die Wirklichkeit ist ein Dickicht. Die Vorstellung strukturiert. Und schon verschwimmen die Grenzen. Was sieht man, was will man sehen und was bleibt alles ungesehen.

Noch einmal zurück nach L.A., der Stadt des schönen Scheins. Eine Stadt voller Kreuzungen, Wege, Identifikationsmuster. Immer neue Raster stülpen sich über das Ursprüngliche, zivilisieren die Wüste. Die Stadt wächst und mit ihr Hoffnungen, Erfahrungen, Enttäuschungen. Was oben ist, glänzt im Licht. Blendet. Verstecktes und Verdecktes sieht man nicht. Dunkle Verbindungsstücke sind die Schattenseite. Unterirdische Strukturen tragen das Geflecht des schönen Scheins. Was durchs Raster fällt, entgeht der Wahrnehmung. Die Ahnung ist die einzige hauchdünne Verbindung.

Jeannette Cotta